Mehrere Jäger, Förster und ein Nachsuchengespann konnten im südlichen Schleswig-Holstein aufgrund guter und unbürokratischer Zusammenarbeit über zwei Tage, 19 Kilometern durch drei Reviere eine Nachsuche zum Erfolg führen. Erschöpft, aber auch zufrieden, dem Stück weiteres Leid erspart zu haben.
Früh am Morgen schrillte das Telefon. Das konnte nur eine Nachsuche sein. Am Hörer meldete sich ein Jagdkollege aus einem anderen Revier. Er bat um eine Nachsuche, denn er hatte in der vergangenen Nacht ein Stück Schwarzwild beschossen.
Einzelheiten wollte er am Ort des Geschehens berichten. Schnell hatte ich alle notwendigen Dinge beisammen. Mein Hannoversche Schweißhund „Eiko vom Oelsetal“, der im 2 Behang ist, im letzten Jahr seine VP mit Bravour bestanden hat und sein Können schon des Öfteren in dieser Jagdsaison zeigen konnte, wusste sofort was los war.
Im Revier des Schützen angekommen, berichtete dieser von der vergangenen Nacht. Grade als er abgebaumt hatte, erblickte er auf einer nahe liegenden Koppel eine Rotte Sauen, die im Gebräch stand. Er ging bei bestem Mondschein bis auf Schussentfernung heran und suchte sich ein passendes Stück aus. Der Schuss brach durch die Nacht und die gesamte Rotte ging hochflüchtig ab. Der Schütze glaste über die Koppel, doch am vermeintlichen Anschuss war weit und breit keine Sau zusehen. Er hatte sich die Stelle sehr gut gemerkt und in der Nacht keine eigenständigen Versuche unternommen dem Stück nachzugehen.
Der Schütze wies mich ein, von wo er das Stück beschossen hatte, und ich schickte den Rüden zur Vorsuche. Nach kurzer Zeit verwies Eiko deutlich den Anschuss der Sau.
Ich legte den Hund ab, untersuchte den Anschuss ausführlich um Pirschzeichen zu finden. Die Sau hatte den Schuss bekommen, es fand sich ein kleiner Knochensplitter und etwas arterieller Schweiss. Der Splitter deutete auf einen Treffer des Vorderlaufen oder des Blattes hin.
Ich schickte den Rüden zur Fährte, der sofort unter Bögeln die Krankfährte aus der Rotte anfiel. Das Stück zog die ganze Zeit mit der gesamten Rotte, nach 1,4 Kilometern nahm die Rotte auf der Fluchtfährte den nahegelegenen Forst an, der auch Reviergrenze ist. Durch ein kurzes Telefonat mit dem zuständigen Förster des Forstbezirkes konnte die Nachsuche abgeklärt werden.
Ab und an verwies der Hund kleine Spritzer Schweiss in der Fährte, erst nach über 2 km deute das Fährtenbild darauf hin, dass die Rotte verhoffte und sich orientierte. Der Hund fing an zu kreisen und es dauerte eine kurze Zeit, bis die Reise auf einem Hauptwechsel weiterging. Wir überquerten etliche Forstwege und Rückegassen, bis wir an eine frisch angenommene Suhle aus der Nacht kamen. Das Garmin zeigte schon 6,3 km. Der Hund bögelte um die Suhle und nahm eine Fährte auf, welche auch über längere Zeit keine Pirschzeichen aufwies, wieder wurde ein starker Wechsel von den Sauen gewählt.
Plötzlich verwies der Hund auf einem umgefallenen Baum einen kleinen Tropfen Schweiss, damit bestätigte sich die Zugehörigkeit der kranken Sau zur Rotte.
Es ging in eine Aufforstung, in der der Hund nach links abbog und den Wechsel verließ. Nach ca. 200 m konnte man dem Hund anmerken, dass er die Fährte verloren hatte. Durch Kreisen versuche er die gerechte Fährte wieder aufzunehmen, leider gelang Ihm dies nicht.
Wir beschlossen eine Pause zumachen, ich ließ den Hund schöpfen. Währenddessen veranlasste ich den Schützen das Auto nachzuholen, da wir bereits 7,8 Kilometer auf dem Zähler hatten.
Da der Forst momentan an den Wochenenden sehr viel von Besuchern und Holzwerbern frequentiert wird, machte es die Sache auch nicht leichter.
Nachdem wir gestärkt waren, griffen wir beim letzten Pirschzeichen auf die Fährte zurück.
An dem Punkt, wo wir zuvor den Wechsel verlassen hatten, zog der Rüde nun auf dem geraden Wechsel weiter. Am Fährtenbild war zu erkennen, dass wir nur noch einer Sau folgten. Also hatte sich das kranke Stück von der Rotte getrennt.
Das Stück muss die ganze Nacht gezogen sein. Es nahm kein Wundbett an, etliche Wiedergänge und Kreise zogen sich über die nächsten Abteilungen im Forst. Wir standen wieder vor einer Suhle, die das Stück noch in der Nacht angenommen hatte. Dies wies darauf hin, dass die Sau Kühlung suchte.
Nach 10,4 Kilometern kamen wir an die nächste Reviergrenze zu den Landesforsten. Nach einem Telefonat mit dem zuständigen Förster, war die Fortführung der Nachsuche kein Problem. Ein zusätzliches Glück war die Unterstützung des Försters und seiner Frau bei der Suche.
Nach einer kurzen Pause und Einweisung durch den Förster in sein Revierteil wurde die Nachsuche wieder aufgenommen. Jetzt ging es in eine Fläche von über 30 ha Dornenverhau. Die Sau zog immer noch auf klaren Wechseln des Schwarzwildes, einen 90° Abgang der Sau überschoss mein Rüde, bögelte sich aber nach einer kurzen Zeit wieder auf die gerechte Fährte. Unser Besuch im Dornenverhau blieb nicht unbemerkt, zwei Stück Rehwild und ein Rudel Rothirsche machten vor uns hoch.
Wir näherten uns zügig auf einer Rückegasse dem Ausgang des Urwaldes und vor der nächsten Spurbahn stellte ich fest, dass es bereits 15.30 Uhr war. Ich beschloss, die Suche für heute zu beenden. Alle waren sehr erschöpft. Am Ende des Tages zeigte das Garmin 12 Kilometer an.
Am nächsten Morgen wurde die Suche am letzten Pirschzeichen wieder aufgenommen. Wir bemerkten schon beim Angehen, dass in der Nacht die Schwarzkittel frisch in dem Bereich gebrochen hatten. Der Rüde zog über die Spurbahn in ein lichtes Holz, wo die Sauen auf der gesamten Länge nach Nahrung den Waldboden durchpflügt hatten. Diesen Bereich suchte der Rüde ab und zog nach ca. 400 m zurück über die Straße in die Dornen. Nach wenigen Metern verwies der Hund Schweiss. Der Förster, der mich als Sicherungsperson im Dornendickicht begleitete, und ich entschieden, Vorstehschützen an strategisch wichtigen Punkten in diesem Bereich anzustellen.
Wir folgten weiter der Fährte und zogen kreuz und quer, drunter und drüber durch die Dornen.
Nach einer Ewigkeit wurde der Hund unruhig, gerade in diesem Moment brach vor uns auf 30 m etwas in den Dornen weg. Da wir nicht klar sagen konnten, ob es sich um das kranke Stück handelte, wurde der Hund nicht geschnallt, da eine viel befahrene Kreisstraße in unmittelbarer Nähe der Dickung verlief. Wir kamen an den Punkt, an dem vor uns etwas weggebrochen war und fanden mehrere warme Kessel. Jedoch wies keiner ein Wundbett auf.
Die Suche ging weiter. Plötzlich vernahmen wir schweres Atmen in unmittelbarer Nähe. Das Verhalten des Hundes zeigte mir, dass es sich um das kranke Stück handeln musste. Ich schnallte Eiko, der sofort die Sau verbellte, worauf diese die Flucht ergriff. Für den Bruchteil einer Sekunde erkannte ich die Sau. Sie brach vor dem Hund durch die Dornen und flüchtete direkt in Richtung Kreisstraße. Ich rief meinen Hund ab, der sofort von der Sau abließ und wieder angehalst wurde.
Die Sau passierte einen Vorstehschützen. Leider war die Schussentfernung zu weit und die Geschwindigkeit zu hoch, außerdem hielt der Schütze die wechselnde Sau für gesund.
Deshalb fragten wir uns, ob dies überhaupt das kranke Stück sein konnte, da in der Fluchtfährte keine Pirschzeichen mehr zu erkennen waren.
Jeder Hundeführer kennt diese Zweifel an einem gewissen Punkt der Nachsuche.
Aber nein, man darf nicht am Hund zweifeln! Also wieder da angesetzt, wo die Sau über die Rückegasse gebrochen ist. Wir folgten weiter der Fährte, die kurz vor der Kreisstraße wieder in die Dornen führte. Jetzt verwies der Hund wieder abgestriffenen Schweiss und nach mehreren 100 Metern vernahmen wir erneut schweres Röcheln. Sofort wurde der Hund geschnallt, alles ging blitzschnell, die Sau brach aus den Dornen, ein Schuss konnte angetragen werden und die Sau machte noch 200 m bevor sie verendete. Es stellte sich heraus, dass der Schütze auf dem Feld das Stück mit seiner Kugel am Blatt und Stich touchiert hatte, worauf die Knochensplitter am Anschuss schon hingewiesen hatten.
Suchenheil
Die anstrengende Arbeit auf der Fährte zeigt eindringlich, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit aller Jäger über Reviergrenzen hinaus maßgeblich zum Erfolg führt. Wenn alle Jäger und Revierinhaber wie in der hiesigen Rotwildhegegemeinschaft, mit großzügiger Regelung der Wildfolgevereinbarung leben, wird unnötig Leid dem Wild erspart. Dazu haben wir Jäger uns durch unseren Eid verpflichtet. Ein Nachdenken über die derzeitigen Regelungen für die Anerkennung der Nachsuchengespanne in Schleswig-Holstein macht das Nachsuchen nicht weniger beschwerlich, aber garantiert unproblematischer in der Durchführung. Unabdingbar und eine Grundvoraussetzung sind dafür geeignete und geprüfte Hunde, sowie deren Führer, die bereit sind viel Zeit und Engagement zu investieren.
Allen Nachsuchengespannen wünsche ich viel Suchenheil und für alle Schützen immer eine sichere Kugel.
Nachsuche ist Ehrensache
Nachsuchenführer Klaas Seebandt